Bioenergiedorf Schönstadt

Ein gelungenes Projekt

Deutschlands größtes Nahewärmenetz seit 1. Oktober 2012 in Betrieb

Die Idee, Schönstadt - ein Dorf mit 1600 Einwohnern am Rande des Burgwaldes – mit Nahwärme zu versorgen, entstand Anfang 2010 in der in der Initiativgruppe „Unser Dorf hat Zukunft“.
Dafür gab es gute Gründe. Das am Rande des Dorfes ansässige Sägewerk Holz-Schmidt hatte ein paar Jahre vorher ein Biomasse-Heizkraftwerk zur Erzeugung von Strom gebaut. „Abfallprodukt“ war Wärme, mit der die Firma ihre Holztrocknung betreibt und seit Herbst 2009 auch das Hofgut „Fleckenbühl“ mit heißem Wasser beliefert.
Nähere Untersuchungen ergaben, dass noch genügend Wärme vorhanden war, um ganz Schönstadt zu versorgen.

Die erste Bürgerversammlung im Juni 2010 und die Auswertung einer Fragebogenaktion zeigten, dass das Interesse bei den Schönstädtern sehr groß war.
Eine etwa zwölfköpfige Arbeitsgruppe trieb in wöchentlichen Montagssitzungen die Planungen für die Realisierung voran, so dass bereits im Januar 2011 eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben wurde. Dann ging es Schlag auf Schlag.
Am 23. März 2011 wurde im rappelvollen Bürgerhaus das Gutachten präsentiert, nachdem die Wirtschaftlichkeit des Nahwärmenetzes mindestens 205 Hausanschlüsse erforderte.

Bereits zwei Wochen später wurde in dem wieder überfüllten Bürgerhaus die Genossenschaft „Nahwärme Schönstadt eG" gegründet, der am gleichen Abend noch 153 Hausbesitzer beitraten.
Wiederum 11 Tage später unterschrieb der 205. Bürger das Beitrittsformular.
Als dann auch noch die Gemeindevertreter am 8. Juni fast einstimmig der 3-Millionen-Bürgschaft zustimmten, war der Weg frei für die Umsetzung. Eintragung der Genossenschaft, Beantragung des KfW-Kredits und der KfW-Förderung bei der Hausbank VR Bank Hessenland, Ausschreibungen durch das Ingenieurbüro Berghamer & Penzkofer, Info-Veranstaltung für alle inzwischen über 280 Mitglieder, Auftragserteilung an die Baufirmen am 23.12. 2011, Bewilligung des Darlehensantrages und des Förderantrags durch die KfW, Genehmigung der Kommunalaufsicht für die Kommunalbürgschaft am 11.1.2012 und die Vertragsunterzeichnung mit der Firma Holz-Schmidt im Februar 2012 waren die Meilensteine auf dem Weg zur Realisierung des 6-Millionen-Projektes.

Bereits am 27. Februar  2012 richtete die Baufirma Kollmer aus der Oberpfalz ihr Baustellenlager in den Sandwiesen neben der Hauptstraße ein, bevor am 2. März im Beisein über 100 Schönstädter der Spatenstich erfolgte.

Während in den kommenden Monaten Schönstadt zu einzigen großen Baustelle wurde, nahmen die Bürger die vielfältigen Behinderungen sehr gelassen hin, versorgten die Bauarbeiter mit Getränken und Speisen und trafen sich zu spontanen Begegnungen auf der Straße.

Ein ausgeklügeltes „Kümmerer-System“ sorgte dafür, dass auftretende Probleme kompetent und rasch behoben wurden. Mehrere „Bergfeste“ mit allen Bauarbeitern im Sporthaus des SV Schönstadt trugen dazu bei, dass sie sich trotz schwerer Arbeit in Schönstadt wohl fühlten.

Was vielen öffentlichen Bauträgen fremd ist, wurde in Schönstadt geschafft: sowohl der finanzielle als der zeitliche Rahmen wurden eingehalten!
Am 25. September 2012 ging das Netz in Betrieb, am 1. Oktober waren bereits die ersten Häuser am Netz. In einem denkwürdigen Einweihungsfest am 13. Oktober 2012 im ehemaligen Hühnerhaus, umgebaut zu einer modernen Energiezentrale, kamen etwa 500 Schönstädter und Ehrengäste zusammen, um diesen historischen Moment gemeinsam feiern.

Nach über vier Jahren reibungslosem Betrieb spricht kein Mitglied der Genossenschaft mehr vom Öl, obwohl dessen Preis stark nach unten gegangen ist. Man weiß halt, dass das nur eine temporäre Erscheinung ist.
Nie mehr tanken, nie mehr eine Heizung ersetzen, kein Ölgestank mehr, mehr Platz im Keller, kein CO²-Ausstoss mehr – das sind die Vorteile, die alle beteiligten Schönstädter wohltuend empfinden.
Die überragende Anschlussquote von 80 % der Hausbesitzer zeigt, dass die Bürger verstanden haben. Die Menschen „mitnehmen“, den Dialog suchen und informieren – von Bürger zu Bürger klappt das sehr gut, wie man an der wachsenden Anzahl von Bioenergiedörfern sieht.
Das sollte sich die Politik auch mal auf die Fahne schreiben!

Bei der Realisierung  des „größten Nahwärmenetzes in Deutschland“ war es unabdingbar, mit Herrn Klaus Pfalz von der VR Bank Hessenland einen kompetenten Finanzfachmann an der Seite zu haben, der die Dinge lösungsorientiert und pragmatisch angeht und von Anfang an das Projekt begleitet hat.
Ebenso ein Glücksgriff war die Entscheidung für das Planungsbüro Berghamer – Penzkofer, die mit ihrer Machbarkeitsstudie, die sich als exakt herausstellte, und mit ihrer strategischen Umsetzung der Verlegung von über 14 km Nahwärme-Leitung eine Punktlandung hinzauberten. Auch die Gemeindevertretung zog mit und entschied sich mit großer Mehrheit für die Bürgschaft und den Gestattungs- und Konzessionsvertrag.
 

Rolf Beuermann
2. Vors. Nahwärme Schönstadt eG